18.11.2022
Andacht zum Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, 13. November, Volkstrauertag und zum Buß – und Bettag

Pfr. Jörg Reichmann, 16. November 2022

Text: Offenbarung 3, 5 (Auszug aus dem Predigttext zum Buß – und Bettag)

Der Seher Johannes übermittelt das Wort Christi an die Gemeinde in Sardes: Jedem, der siegreich aus dem Kampf hervorgeht, wird ein weißes Festgewand angelegt werden. Und ICH werde seinen Namen nicht aus dem Buch des Lebens streichen, sondern MICH vor MEINEM Vater und SEINEN Engeln zu ihm bekennen. (Neue Genfer Übersetzung)

Gedanken zum Text:

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Kampf“ in unserem Bibelwort lesen? Vermutlich wird Ihnen wohl zuerst der unselige Krieg in der Ukraine einfallen und möglicherweise noch ein paar der anderen aktuellen Kriegsereignisse in unserer Welt. Ganz sicher bin ich mir, dass Ihre Gedanken auch in Richtung der gegenwärtigen Spannungen und „Verteilungs – Kämpfe“ in unserer Gesellschaft gehen werden. Von diesen Kämpfen wusste der Seher Johannes nichts, als er am Ende des 1. Jahrhunderts seine Visionen niederschrieb. Er hatte die brutale Verfolgung der Christen durch den römischen Staat im Blick und auch am eigenen Leib erlebt. Christen werden in unserem Land und in der „westlichen Welt“ Gott sei Dank heute nicht mehr staatlich verfolgt oder benachteiligt. Jeder kann sich frei bekennen, ohne Angst haben zu müssen. In einigen Regionen unserer Erde sieht das mitunter noch ganz anders aus. Da kann ein offenes christliches Bekenntnis im schlimmsten Fall das Todesurteil bedeuten. Die geschichtliche Situation zurzeit des Sehers Johannes ist also mit der unsrigen kaum vergleichbar. Was aber in jeder Zeit, für jede Generation eine Antwort sucht, ist die Frage: „Wie viel“ Bekenntnis ist „nötig“, um eine „reine Weste“ in Christi Augen zu behalten - oder im Bild des Sehers Johannes gesprochen: „ein weißes Festgewand“ angelegt zu bekommen? Oder anders gefragt: Woran ist der „echte“ Christ zu erkennen? Manche meinen, das sehr genau sagen zu können: an der Frömmigkeit, die sie selbst leben, die aus ihrer Sicht „viel tiefer“ gehe als die der Leute, die „zwar getauft“ und Kirchenmitglied seien, aber „sonst nichts“. Die eigene Ansicht, die eigene Prägung für die einzig wahre zu halten, ist eine weit verbreitete menschliche Schwäche, nicht nur in Glaubensfragen. Wohin das führt, erleben wir gerade in den Kämpfen unserer Gegenwart. Deshalb ist es zukunftsweisend für uns, dass der Seher Johannes eindringlich erinnert, wer am Ende allein das entscheidende Urteil sprechen wird: unser auferstandener HERR Jesus Christus. Das allein macht wirklich Hoffnung.

Foto: Privat (J. Reichmann)

Gedanken zum Bild:

Obwohl der November bisher weder besonders kalt noch nass war, ist es unverkennbar: Der Herbst ist da – und mit ihm die kurzen Tage, die uns besonders nach der „Zeitumstellung“ wieder bewusst werden. Es gibt weniger Licht in diesen Tagen. Dafür erscheint uns die Natur in einem „besonderen Licht“. Die Farben treten deutlicher hervor. Kontraste erkennen wir genauer, können auch „tiefer blicken“, wenn uns der Lauf der Zeit und die Vergänglichkeit so deutlich vor Augen stehen. Vielleicht war das einst auch auch der Grund, den Buß – und Bettag sowie die Gedenktage für die Verstorbenen ans Ende des Kirchenjahres zu legen – wo doch zumindest letztere auch in die hoffnungsvolle Osterzeit „passen“ würden, wie ich meine. Aber niemand will wohl im Frühling an Vergänglichkeit und Tod denken. Ganz davon abgesehen war das Leben früher durch die Landwirtschaft geprägt – und da ist im Frühjahr auch keine Zeit für Nachdenken und Besinnung. Die kommt erst, wenn die Ernte fürs Jahr eingebracht ist. Herbstgedanken, Buß – und Bettag in diesem unruhigen und aufgewühlten Jahr 2022 – werden wir zur Ruhe kommen, vielleicht an einem so schönen Ort wie dieser Waldlichtung, oder wo auch immer? Werden wir die Muße haben, vor Gott zu bringen, was uns beschwert, was uns Angst macht und IHN um SEINEN Beistand bitten für unseren Weg durch den Winter mit allen seinen Herausforderungen – nicht nur dem Energiepreis – Wucher? Kann gerade der Buß – und Bettag wieder an Bedeutung gewinnen, zumindest für Menschen, deren Gedanken sich nicht vollständig gefangen nehmen lassen vom rein Materiellen? Es wäre sicher sehr hilfreich, um auch „innerlich“ aus der Krise herauszukommen.

Gebet:

Barmherziger Gott, wir danken DIR, dass DU uns einlädst, aus unsren kleinen Verhältnissen, bedrängten Gedanken und festgefahrenen Vorurteilen heraus Platz zu finden in der Weite DEINES Geistes.

HERR, unser Gott, wir können nicht fassen, wie nahe DU uns bist in unserem Leben, in dem wir meist gar nicht nach DIR fragen, sondern eisern unsere Wege meinen gehen zu müssen, bis wir nicht weiter wissen.

Barmherziger Gott, wir danken DIR, dass DU unendlich geduldig bleibst, und DEINE Hand reichst und Wege eröffnest, die wir übersehen oder vergessen haben. Hilf uns, unsere Irrwege und Irrtümer zu erkennen und zu verlassen.

HERR, unser Gott, schenke uns die Kraft und den Mut, niemals weniger Liebe zu verschenken und Hoffnung zu verbreiten als DU uns geschenkt hast. Gib uns teilende Hände, sehende Augen, hörende Ohren, weite Herzen und die Bereitschaft zu vergeben, so wie DU uns vergibst.

Barmherziger Gott, nimm von uns die tönenden Worte ohne Inhalt, den scharfen Ton im Gespräch, die Kälte in den Augen und die Rücksichtslosigkeit im Umgang miteinander. Hilf uns, einander als DEINE Geschöpfe in ihrer Verschiedenheit zu achten und anzunehmen.

HERR, unser Gott, lass es Licht werden im Dunkel unserer Welt. Steh den Bekümmerten und Verbitterten bei, allen, die sich nach Leben sehnen und am Ende, HERR, umfange uns mit DEINER unendlichen Liebe und führe uns barmherzig in das Leben, das niemand und nichts mehr zerstören kann.

Erbarmender Gott, erhöre uns.
Amen.

Beten wir das Vaterunser:

Vater unser im Himmel
geheiligt werde Dein Name
Dein Reich komme
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen

Es segne uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
AMEN